Norton V4 RR
Eine kleine Sensation: die wiederbelebte Marke Norton präsentiert das erste moderne britische Superbike. Die V4 leistet über 200 PS und hat bei der TT Isle of Man einen siebten Platz gegen die übermächtige Konkurrenz geholt. Jetzt geht die bildschöne und straßenzugelassene V4 RR in Serie

- iga
Bei Motorrädern hören Distinguiertheit und Understatement der sonst oft eher zurückhaltenden Briten auf. Es ist kein Zufall, dass seit Beginn des Motorradbaus viele der schnellsten und exklusivsten Bikes aus Großbritannien kamen, zumindest bis die englische Motorradindustrie in den 1970er Jahren den Bach runterging. Doch die Liebe der Briten zu den motorisierten Zweirädern hat nie aufgehört, bis heute finden dort die spektakulärsten Rennen statt, wie jedes Jahr bei der Tourist Trophy auf der Isle of Man bewiesen wird.
Einzig Triumph hielt lange den Union Jack im Motorradbau hoch. Doch vor acht Jahren entschloss sich der britische Geschäftsmann Stuart Garner zum Kauf der Rechte an der 1902 gegründeten Traditionsmarke Norton Motorcycles. Die waren seit der Pleite 1976 durch diverse Hände gegangen, doch niemand verstand es, die Firma wieder auf Vordermann zu bringen und vernünftige Motorräder zu bauen. Bis Garner kam. Es war ein mutiger Schritt, doch er holte fähige Leute mit ins Boot, vor allem Simon Skinner als „Head of Design“. Er siedelte den Firmensitz in Donington Park an, direkt neben der berühmten Rennstrecke.
Norton V4 RR (15 Bilder)

Nach vier Modellen das Flaggschiff
Mittlerweile baut Norton vier Modelle – drei Commando-Versionen und die Dominator – mit einem luftgekühlten 961-cm3-Paralleltwin, doch Garner setzt auf den Rennsport als Marketing-Instrument. Dafür nutzten sie den bekannt kräftigen 1000er V4-Motor von Aprilia als Basis, vergrößerten ihn auf 1200 cm3, bauten ein eigenes Chassis und traten damit seit 2012 jedes Jahr bei der TT Isle of Man an, um das Motorrad kontinuierlich weiterzuentwickeln. Für die Briten ist dieses legendäre Rennen wichtiger als die MotoGP und für Norton von ganz besonderer Bedeutung, denn das erste TT-Rennen auf der Insel in der Irischen See gewann 1907 eine Norton. Dieses Jahr holte der Australier David Johnson als Norton-Werksfahrer bei der Senior TT den eindrucksvollen siebten Platz mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 210 km/h und einem Topspeed von sagenhaften 313 km/h auf dem 60 km langen Landstraßenkurs.
Dass der Norton-Boss selber absoluter Motorradenthusiast ist und viel Mut hat, bewies Garner, als er höchstpersönlich 2009 mit 290 km/h den Geschwindigkeitsweltrekord für Motorräder mit Wankelmotoren auf dem Salzsee in Bonneville aufstellte. Das Modell mit Wankelantrieb war noch ein Überbleibsel aus den 1990er Jahre, als der damalige Norton-Besitzer auf die ungewöhnliche Technik setzte. Garner war sich natürlich bewusst, dass das Prinzip keine Zukunft haben würde und ließ von Beginn an den großvolumigen Zweizylinder-Ottomotor für seine Motorräder entwickeln. Doch jetzt ist auch der handgefertigte V4 aus der Rennmaschine endlich soweit ausgereift, dass er in Serie geht.